Discussion:
Pflichtteil der 2. Ehefrau hebelt Berliner Testament mit der 1. aus
(zu alt für eine Antwort)
Peter Wannemacher
2015-01-19 15:59:04 UTC
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Hallo,

in vielen Medien findet man einen Bericht über den Erbfall, der dem
Beschluss des OLG Hamm vom 28.10.14, Az.: 15 W 14/14 zugrunde liegt.

Sehr verkürzt gesagt geht es darum, dass die zweite Ehefrau des
verstorbenen Ehemannes das Berliner Testament aus dessen erster Ehe
erfolgreich angefochten hat. Obwohl das Berliner Testament sogar bei
Ehescheidung weitergelten sollte, hat das OLG der zweiten Frau das Erbe
zugesprochen, da der Verstorbene in seinem ersten (Berliner) Testament
das Pflichtteilsrecht seiner zweiten Frau (natürlich) nicht
vorausgesehen habe. Deshalb konnte diese seine erste Verfügung von Todes
wegen mit Erfolg anfechten, so das OLG.

Ein Bericht findet sich z. B. hier:

http://www.kostenlose-urteile.de/OLG-Hamm_15-W-1414_Zweite-Ehefrau-kann-Erbeinsetzung-der-erstengeschiedenen-Ehefrau-nach-Tod-des-Ehemanns-anfechten.news20463.htm

Was dort und auch in einigen anderen Berichten fehlt, ist ein Hinweis
darauf, dass der Ehemann das Kind seiner ersten Frau adoptiert hat.
Dieses Adoptivkind sollte Schlusserbe nach dem angefochtenen Berliner
Testament aus der ersten Ehe werden.

Da wesentlich für die Entscheidung des OLG der Pflichtteil der zweiten
Ehefrau war, hätte ich zumindest erwartet, dass auch der
Pflichtteilsanspruch des Adoptivkindes im OLG-Beschluss und in den
Medien thematisiert wird. Im kompletten Beschluss des OLG wird zwar die
Adoption erwähnt (und auch, dass das Kind der ersten Frau Schlusserbe
werden sollte), nicht aber dieses Pflichtteilsrecht.

Siehe z. B. hier die Langfassung:

https://openjur.de/u/754218.html

Gibt es hierzu eine Erklärung? Oder liegt das einfach daran, dass das
Gericht nur über den Anspruch der zweiten Ehefrau zu entscheiden hatte
und nicht über den des Adoptivsohnes?

Gruß

Peter Wannemacher
Stefan Schmitz
2015-01-19 16:22:22 UTC
Permalink
Post by Peter Wannemacher
Da wesentlich für die Entscheidung des OLG der Pflichtteil der zweiten
Ehefrau war, hätte ich zumindest erwartet, dass auch der
Pflichtteilsanspruch des Adoptivkindes im OLG-Beschluss und in den
Medien thematisiert wird. Im kompletten Beschluss des OLG wird zwar die
Adoption erwähnt (und auch, dass das Kind der ersten Frau Schlusserbe
werden sollte), nicht aber dieses Pflichtteilsrecht.
Wozu?
Es geht doch um eine Anfechtung wegen eines bei Testierung nicht bekannten
Pflichtteilsrechts. Das trifft beim Kind nicht zu.
Peter Wannemacher
2015-01-19 17:37:46 UTC
Permalink
Hallo,
Post by Stefan Schmitz
Post by Peter Wannemacher
Da wesentlich für die Entscheidung des OLG der Pflichtteil der zweiten
Ehefrau war, hätte ich zumindest erwartet, dass auch der
Pflichtteilsanspruch des Adoptivkindes im OLG-Beschluss und in den
Medien thematisiert wird. Im kompletten Beschluss des OLG wird zwar die
Adoption erwähnt (und auch, dass das Kind der ersten Frau Schlusserbe
werden sollte), nicht aber dieses Pflichtteilsrecht.
Wozu?
Es geht doch um eine Anfechtung wegen eines bei Testierung nicht bekannten
Pflichtteilsrechts. Das trifft beim Kind nicht zu.
zweifellos. Dennoch liest man in anderen Urteilen öfter
Nebenbei-Bemerkungen zu Sachverhalten, über die das Gericht nicht zu
entscheiden hatte - oder wenigstens in den Pressemitteilungen der
Gerichte. Von Adoptivkind des Erblassers ist aber auch in der PM des OLG
nichts zu lesen.

Und da die Medien diesen Beschluss (verkürzt) weiterverbreiten, kommt
auch kaum jemand auf die Idee, dass die zweite Ehefrau vielleicht nicht
ganz allein mit dem Erbe glücklich wird, sondern einen Teil (in Geld) an
den Sohn der ersten Frau wird abgeben müssen.

Gruß

Peter W.
Bernd J. Kaup
2015-01-19 22:20:29 UTC
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Post by Peter Wannemacher
Hallo,
snip
Post by Peter Wannemacher
Und da die Medien diesen Beschluss (verkürzt) weiterverbreiten, kommt
auch kaum jemand auf die Idee, dass die zweite Ehefrau vielleicht nicht
ganz allein mit dem Erbe glücklich wird, sondern einen Teil (in Geld) an
den Sohn der ersten Frau wird abgeben müssen.
die ist derr Unterschied zwischen Erbe und Pflichtteil offensichtlich
nicht bekannt. Darum ist der gesamte Ansatz Humbug.

Die einzig ungelöste Frage ist, ob der Schlusserbe auch in Höhe des
Pflichtteiles der 2. Ehefrau erbberechtigt ist.

mfg
bjk
Peter Wannemacher
2015-01-20 08:09:19 UTC
Permalink
Hallo,
Post by Bernd J. Kaup
Post by Peter Wannemacher
Und da die Medien diesen Beschluss (verkürzt) weiterverbreiten, kommt
auch kaum jemand auf die Idee, dass die zweite Ehefrau vielleicht nicht
ganz allein mit dem Erbe glücklich wird, sondern einen Teil (in Geld) an
den Sohn der ersten Frau wird abgeben müssen.
die ist derr Unterschied zwischen Erbe und Pflichtteil offensichtlich
nicht bekannt.
offensichtlich hast Du übersehen, dass ich, um genau diesen Unterschied
deutlich zu machen, "(in Geld)" geschrieben hatte.
Post by Bernd J. Kaup
Darum ist der gesamte Ansatz Humbug.
Mein Ansatz war, wie aus dem Ursprungsposting ersichtlich, ganz genau
und ausschließlich der "Pflichtteilsanspruch des Adoptivkindes" schlechthin.
Post by Bernd J. Kaup
Die einzig ungelöste Frage ist, ob der Schlusserbe auch in Höhe des
Pflichtteiles der 2. Ehefrau erbberechtigt ist.
Da wird sich wohl ein Anwalt finden lassen, um für eine Klärung zu sorgen.

Gruß

Peter W.
Stefan Schmitz
2015-01-20 15:53:38 UTC
Permalink
Post by Bernd J. Kaup
Die einzig ungelöste Frage ist, ob der Schlusserbe auch in Höhe des
Pflichtteiles der 2. Ehefrau erbberechtigt ist.
Wie kommst du denn jetzt darauf?

Da das Testament durch Anfechtung unwirksam geworden ist, hat sich auch die Sache
mit dem Schlusserben erledigt.
k***@googlemail.com
2015-01-20 08:13:23 UTC
Permalink
Post by Peter Wannemacher
Obwohl das Berliner Testament sogar bei
Ehescheidung weitergelten sollte, [...]
Diesen Satz verstehe ich nicht. Ein Berliner Testament tritt doch erst
in Kraft, wenn einer der Ehegatten stirbt, vorher kann es jederzeit
wieder gestrichen werden. Wenn er tot ist, kann man sich von ihm aber
nicht mehr scheiden lassen.

Gruß, Kathinka
Stefan Schmitz
2015-01-20 15:48:37 UTC
Permalink
Post by k***@googlemail.com
Post by Peter Wannemacher
Obwohl das Berliner Testament sogar bei
Ehescheidung weitergelten sollte, [...]
Diesen Satz verstehe ich nicht. Ein Berliner Testament tritt doch erst
in Kraft, wenn einer der Ehegatten stirbt, vorher kann es jederzeit
wieder gestrichen werden.
Hatte ich auch erst gedacht, aber ein gemeinsames Testament kann man auch nur
gemeinsam wieder aufheben, § 2271 I 2 BGB.
Post by k***@googlemail.com
Wenn er tot ist, kann man sich von ihm aber
nicht mehr scheiden lassen.
Normalerweise wird ein Berliner Testament bei Scheidung automatisch hinfällig.
Das wurde durch einen Zusatz außer Kraft gesetzt.
Frank Kozuschnik
2015-01-21 00:24:07 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by k***@googlemail.com
Post by Peter Wannemacher
Obwohl das Berliner Testament sogar bei
Ehescheidung weitergelten sollte, [...]
Diesen Satz verstehe ich nicht. Ein Berliner Testament tritt doch erst
in Kraft, wenn einer der Ehegatten stirbt, vorher kann es jederzeit
wieder gestrichen werden.
Hatte ich auch erst gedacht, aber ein gemeinsames Testament kann man
auch nur gemeinsam wieder aufheben, § 2271 I 2 BGB.
Solange beide Ehepartner noch leben, kann durchaus jeder allein das
Testament einseitig widerrufen. Der Widerruf muss allerdings notariell
beurkundet werden und dem anderen Ehepartner zugehen (§ 2296 und § 2271
Abs. 1 Satz 1 BGB).

§ 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt lediglich klar, dass es nicht ausreicht,
wenn ein Ehepartner einfach nur für sich allein ein neues Testament macht.
Post by Stefan Schmitz
Post by k***@googlemail.com
Wenn er tot ist, kann man sich von ihm aber
nicht mehr scheiden lassen.
Normalerweise wird ein Berliner Testament bei Scheidung automatisch
hinfällig. Das wurde durch einen Zusatz außer Kraft gesetzt.
Genau, nach § 2077 Abs. 1 BGB würde das gemeinsame Testament bei einer
Scheidung sonst *automatisch* unwirksam. Der Zusatz verhindert das, und
das gemeinsame Testament wird erst unwirksam, wenn es von einem der
bisherigen Ehepartner gemäß § 2296 BGB widerrufen wird.

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